- volkswirtschaftliche Gesamtrechnung: Grundlagen
- volkswirtschaftliche Gesamtrechnung: GrundlagenIn der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) werden die Wirtschaftsprozesse einer Volkswirtschaft für eine Periode in einem geschlossenen Rechenwerk systematisch dargestellt. Die VGR bietet unter anderem Informationen über die Höhe der Produktion und die bestehende Einkommens- und Vermögensverteilung einer Volkswirtschaft. Das Sozialprodukt oder das Volkseinkommen sind Größen, die im Rahmen der VGR ermittelt werden. Die VGR ist ein umfassendes statistisches Instrument der Wirtschaftsbeobachtung; sie bildet die Grundlage für gesamtwirtschaftliche Analysen und Prognosen. Die Aggregate der VGR werden auch als »Wohlstandsindikatoren« genutzt, sind in dieser Funktion allerdings zunehmender Kritik ausgesetzt. Verwendet wird die VGR u. a. von Ministerien, Wirtschaftsforschungsinstituten, Sozialpartnern und Wirtschaftsverbänden.Historische WurzelnDie VGR hat ihre Wurzeln in zwei Forschungsrichtungen: der Kreislaufanalyse und der Volkseinkommensstatistik. Die Kreislaufanalyse betrachtet ausgehend von den Ideen des französischen Arztes und physiokratischen Ökonomen François Quesnay (1694-1774) die gegenseitigen Abhängigkeiten einer Volkswirtschaft in Kreisläufen. Die Volkseinkommensstatistik entstand im 17. Jahrhundert mit dem Ziel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes zu ermitteln. Der englische Physiker, Arzt und Ökonom Sir William Petty (1623-1687) führte statistische und demographische Methoden in die Analyse ein und prägte den Begriff »politische Arithmetik«. Die VGR der Bundesrepublik Deutschland in ihrer heutigen Gestalt wurde in den 60er-Jahren vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden entwickelt. Man folgte dabei Empfehlungen bzw. Standardkontensystemen, die von den Vereinten Nationen (UN) und der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), der heutigen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), erarbeitet worden waren. Auch wenn sich die offiziellen Statistiken an dieses System of National Accounts (SNA) halten, ist die Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Volkswirtschaften oft durch verschiedene Messmethoden und daraus resultierende Messungenauigkeiten oder schlichtweg durch fehlende Daten eingeschränkt. Im Bereich der Europäischen Union wird seit 1999 die VGR nach dem neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) von 1995 nach weitgehend einheitlichen Konzepten und Gliederungen durchgeführt.Sektoren und StrömeBestände oder auch Bestandsgrößen sind Größen, die zu bestimmten Zeitpunkten gemessen werden. Wichtige Bestandsgrößen sind beispielsweise die Geldmenge, der Bestand an Produktionskapital (Kapitalstock) oder die Einlagen bei Banken. Ströme bzw. Stromgrößen sind Größen, die pro Zeitintervall gemessen werden. Das Zeitintervall kann beispielsweise einen Tag, einen Monat oder ein Quartal umfassen. Wichtige Stromgrößen sind etwa das Bruttoinlandsprodukt, der private Konsum oder das Einkommen aus unselbstständiger Arbeit. In der VGR werden Stromgrößen betrachtet. Es ist einleuchtend, dass nicht jede wirtschaftliche Transaktion einzeln erfasst werden kann. Um in den relevanten Daten der VGR Übersichtlichkeit zu wahren, werden die Wirtschaftseinheiten nach der Art ihres wirtschaftlichen Verhaltens zu den Sektoren Unternehmen, Staat, private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck zusammengefasst. Ein zusätzlicher Sektor Ausland dokumentiert alle Transaktionen mit ausländischen Märkten. Zwar geht Information durch diese Zusammenfassung verloren, sie verbessert allerdings den Überblick. Man erhält so ein möglichst aussagekräftiges Bild zum einen über das Aufkommen der Güter- und Dienstleistungen (Produktion im Inland und Importe) und deren Verwendung (Weiterverarbeitung, Konsum, Investition, Export oder Wertschöpfung); zum anderen wird die Entstehung und Verteilung der Einkommen bzw. ihre Umverteilung sowie ihre Verwendung übersichtlich abgebildet. Zudem wird die Finanzierung (Sparen, Abschreibungen, Verschuldung und Kapitaltransfers) systematisch dargestellt.Konten oder KreislaufdiagrammeDie Ergebnisse der VGR können in Form von Konten, Tabellen, Kreislaufdiagrammen oder Gleichungssystemen veranschaulicht werden. Das Statistische Bundesamt stellt die Ergebnisse der VGR in Form eines geschlossenen Kontensystems mit doppelter Buchführung dar. Das Kontensystem umfasst zwei sektoral gebündelte Konten: das Güterkonto und das Konto der übrigen Welt. Weiter gibt es sieben Konten pro Sektor: ein Produktions-, ein Einkommensentstehungs-, ein Einkommensverteilungs-, ein Einkommensumverteilungs-, ein Einkommensverwendungs-, ein Vermögensveränderungs- und ein Finanzierungskonto.
Universal-Lexikon. 2012.